Mütterrenten

»Mütterrenten« – Streit um Finanzierung

Unions-Pläne belasten Beitragszahler

Johannes Steffen | Juli 2013

In ihrem Wahlprogramm für die kommende Legislaturperiode kündigen CDU und CSU einen Ausbau der »Mütterrenten« an. »Ab 2014 wollen wir für alle Mütter oder Väter, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, die Erziehungsleistung mit einem zusätzlichen Rentenpunkt in der Alterssicherung berücksichtigen. (…) Diese bessere Anerkennung ist durch die gute finanzielle Situation der Rentenversicherung und vorhandene Mittel aus dem Zuschuss des Bundes möglich.« [1] – Damit ist ein Streit um die Finanzierung vorprogrammiert.

Zum Hintergrund: Seit dem Hinterbliebenenrenten- und Erziehungszeiten-Gesetz (HEZG) von 1986 wird (in der Regel) Müttern pro Kind ein Jahr Kindererziehungszeit (KEZ) in der Rente gutgeschrieben. Dieses sogenannte Babyjahr wirkt rentenbegründend und rentensteigernd – anfangs im Umfang von 75 Prozent, seit Juli 2000 dann zu 100 Prozent des Durchschnittsentgelts. Für die Geburt eines Kindes erwirbt die Mutter demnach einen Entgeltpunkt (EP) an Rentenanwartschaft – so viel, wie auch der Durchschnittsverdiener pro Jahr Beitragszahlung auf seinem Rentenkonto sammelt. Frauen der Geburtsjahrgänge vor 1921 erhalten eine entsprechende Kindererziehungsleistung (KEL) nach dem Kindererziehungs-Leistungsgesetz (KLG). Mit dem Rentenreformgesetz 1992 (RRG 92) wurden die Kindererziehungszeiten weiter ausgebaut; für Geburten ab 1992 werden seither drei Jahre bei der Rente angerechnet. Im Rentenbestand spielen die verlängerten Kindererziehungszeiten derzeit allerdings noch keine große Rolle.

Die unterschiedliche Behandlung von Geburten vor 1992 und nach 1991 ist schon lange ein Stein des Anstoßes, denn für die Differenzierung gibt es keine sozialpolitische Begründung; ausschlaggebend waren bislang alleine die anfallenden Mehrkosten. Ein weiteres Kindererziehungsjahr für Geburten vor 1992 bedeutet aufs Jahr gerechnet ab 2014 etwa 6,5 Milliarden Euro an zusätzlichen Ausgaben. Im unionsinternen Rentenstreit forderten Frauen-Union und CSU schon früh den Ausbau der »Mütterrenten« als Gegenentwurf zum Konzept der sogenannten Zuschuss- oder Lebensleistungsrente von Arbeitsministerin von der Leyen (CDU). Jetzt verspricht die Union beides.

Als das »Babyjahr« 1986 eingeführt wurde, erhielt die Rentenversicherung die anfallenden Ausgaben zunächst separat vom Bund erstattet. In der Begründung zum Entwurf des HEZG hieß es: »Da es sich bei der Anerkennung von Zeiten der Kindererziehung um eine Leistung des Familienlastenausgleichs handelt, ist die Finanzierung Aufgabe des Bundes. Damit werden die Aufwendungen von allen Steuerzahlern getragen.« [2] Mit dem RRG 92 entfiel die separate Erstattung; stattdessen wurde der Bundeszuschuss um den Erstattungsbetrag für Kindererziehungszeiten in 1991 (etwa 2,5 Milliarden Euro) erhöht und entsprechend der Entwicklung der Bruttoentgelte und des Beitragssatzes fortgeschrieben.

Durch das Gesetz zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte entrichtet der Bund seit Juni 1999 echte (pauschale) Beiträge für KEZ. Die Fortschreibung des Beitragsvolumens erfolgt seit 2001 entsprechend der Entwicklung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer, des Beitragssatzes in der allgemeinen Rentenversicherung und der Zahl der Kinder im Alter von unter drei Jahren. Obwohl im Gegenzug der (allgemeine) Bundeszuschuss um den bisherigen KEZ-Erstattungsbetrag von zuletzt rd. 3,7 Milliarden Euro gekürzt wurde, gelten die (nicht beitragsgedeckten) Ausgaben für Kindererziehungszeiten im Rentenbestand gemeinhin als aus Steuermitteln gedeckt. Denn seit April 1998 wird neben dem allgemeinen Bundeszuschuss (2012: 39,9 Mrd. Euro) ein zusätzlicher Bundeszuschuss gezahlt (2012: 9,8 Mrd. Euro) und seit 2000 gibt es zudem einen Erhöhungsbetrag zum zusätzlichen Bundeszuschuss (2012: 10,3 Mrd. Euro).

Finanzierung der Mütterrenten

Nun fallen die seit 1999 gezahlten Beiträge des Bundes deutlich höher aus als die aktuellen Ausgaben für Kindererziehungszeiten – das eine hat aber mit dem anderen nichts zu tun. Beim Umlageverfahren fällt dies nicht unmittelbar ins Auge. Hier werden alle eingehenden Beiträge zusammen mit den Bundeszuschüssen unmittelbar zur Finanzierung der laufenden Ausgaben verwendet; eine Zweckbindung – etwa derart, dass KEZ-Beiträge (nur) für KEZ-Ausgaben zu verwenden sind – kennt das Umlageverfahren nicht. 2012 betrugen die KEZ-Ausgaben rd. 6,4 Milliarden Euro; dem standen Einnahmen aus KEZ-Beiträgen von rd. 11,6 Milliarden Euro gegenüber. Für den Chef der Unionsfraktion, Volker Kauder (CDU), Gelegenheit für einen faulen argumentativen Zaubertrick: »Das ist mehr, als gebraucht wird. (…) Daher ist die zusätzliche Mütterrente finanziert.« [3]

Ganz und gar nicht: Bei den Beiträgen des Bundes für Kindererziehung handelt es sich um Vorleistungen (eines Dritten) für künftige Rentenansprüche und nicht etwa um die Erstattung laufender KEZ-Aufwendungen. Weil Mütter mit Geburten seit Juni 1999 im Rentenbestand bislang so gut wie nicht vertreten sind, bilden die derzeitigen KEZ-Ausgaben ausnahmslos nicht beitragsgedeckte Leistungen. Wenn die Union diese Leistungen durch ein zusätzliches Kindererziehungsjahr für Geburten vor 1992 ausweiten will, dann muss sie für eine entsprechende Gegenfinanzierung über Steuermittel sorgen. Alles andere wäre eine Ausweitung der Fehlfinanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben, die zu Lasten der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler geht. Diese müssten damit am Ende den Preis für die Befriedung des unionsinternen Rentenstreits zahlen.

[1] CDU/CSU, Regierungsprogramm 2013 – 2017, S. 73.
[2] Entwurf HEZG, BTDrs 10/2677 vom 28.12.1984, S.30.
[3] CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder im Interview, FAZ vom 3.7.2013.

 Dokument als PDF-File