Betriebsrentenstärkungsgesetz
Gesetz zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung und zur Änderung anderer Gesetze (Betriebsrentenstärkungsgesetz)
Inhalt
Die Tarifparteien können künftig auch sog. reine Beitragszusagen vereinbaren (»pay and forget«), über Leistungen der durchführenden Einrichtungen entscheiden und rechtssicher Options- bzw. Opting-Out-Systeme in den Unternehmen und Betrieben einführen. Daneben wird ein spezifisches Fördermodell für Geringverdiener eingeführt sowie die steuerliche Förderung der betrieblichen Altersversorgung und der Riester-Rente verbessert. Schließlich werden im Sozialrecht neue Anreize für den Auf- und Ausbau einer betrieblichen Altersversorgung besonders bei Geringverdienern gesetzt - beispielsweise über Einkommens-Freibeträge für Leistungen aus der zusätzlichen Altersvorsorge in der Sozialhilfe.
Vorentwürfe
Referentenentwurf des BMAS und des BMF v. 25.10.2016
Referentenentwurf des BMAS und des BMF v. 04.11.2016
Stellungnahmen zum Referentenentwurf (Auswahl - Stand: 26.01.2017 - 6 MB)
Betriebsrentenstärkungsgesetz - Kabinettsfassung v. 21.12.2016
Gesetzgebung
Gesetzentwurf der Bundesregierung - BRDrs 780/16 v. 30.12.2016
Empfehlungen der Ausschüsse des Bundesrates - BRDrs 780/1/16 v. 30.1.2017
Gesetzentwurf der Bundesregierung - BTDrs 18/11286 v. 22.02.2017
1. Lesung - Plenarprotokoll 18/222 v. 10.03.2017 (S. 22382 - 22396)
Schriftliche Stellungnahmen zur öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am 27.03.2017 - AuSDrs 18(11)971 v. 24.03.2017
Schriftliche Stellungnahme - Zentralverband Deutsches Baugewerbe - AuSDrs 18(11)972 v. 24.03.2017
Schriftliche Stellungnahme - Arbeitgeberverband Gesamtmetall e.V. - AuSDrs 18(11)973 v. 24.03.2017
Wortprotokoll der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am 27.03.2017
Entwurf eines Änderungsantrages der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, AuSDrs 18(11)1064 v. 29.05.2017
Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, AuSDrs 18(11)1064-neu v. 31.05.2017
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales - BTDrs 18/12612 v. 31.05.2017
2. und 3. Lesung - Plenarprotokoll 18/237 v. 01.06.2017 (S. 24054 - 24069)
BGBl I Nr. 58 (2017) S. 3214 - Gesetz zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung und zur Änderung anderer Gesetze (Betriebsrentenstärkungsgesetz)
BGBl I Nr. 58 (2017) S. 3214 - Gesetz zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung und zur Änderung anderer Gesetze (Betriebsrentenstärkungsgesetz)
Materialien
Übersicht zu den wesentlichen Regelungen des Betriebsrentenstärkungsgesetzes (Stand: 31.05.2017)
Das Betriebsrentenstärkungsgesetz – Umsetzung und Folgen. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BTDrs. 18/12044 v. 24.04.2017
BMAS-Hintergrundinformationen zum Betriebsrentenstärkungsgesetz (Stand: 21.12.2016)
Betriebsrentenstärkungsgesetz (Stand: Januar 2018)
Reine Beitragszusage
Betriebliche Altersversorgung (bAV) liegt ab 2018 auch bei einer reinen Beitragszusage vor. Voraussetzung ist allerdings die Existenz eines entsprechenden Tarifvertrages (»Tarifrente«). Die Pflichten des Arbeitgebers (ArbGeb) beschränken sich auf die Entrichtung der zugesagten Beiträge (idR aus Entgeltumwandlung) an einen externen Versorgungsträger (Pensionskasse, Direktversicherung oder Pensionsfonds). Eine bestimmte Versorgungsleistung wird vom ArbGeb nicht zugesagt und darf auch vom Versorgungsträger nicht zugesagt werden.
Für Anwartschaften und spätere Leistungen fehlt jedwede Haftungsinstanz. Die Höhe der Betriebsrente und deren Entwicklung ist alleine abhängig von der Vermögens- und Ertragslage bzw. -entwicklung der Versorgungseinrichtung (Variabilität in Abhängigkeit vom Kapitalanlageerfolg gänzlich ohne »Haltelinie«).
Was das alles noch mit betrieblicher Altersversorgung zu tun hat? – Eine berechtigte Frage. Denn faktisch bleibt am Ende eine betrieblich organisierte private Altersvorsorge – ohne Garantie und ohne Arbeitgeber-Haftung. Wofür auch, wenn ohnehin nichts mehr garantiert wird?
Nichttarifgebundene ArbGeb und Arbeitnehmer (ArbN) können die Anwendung der einschlägigen tariflichen Regelungen vereinbaren.
Zur Durchführung der reinen Beitragszusage können die Tarifparteien gemeinsame Einrichtungen (§ 4 TVG) nutzen bzw. errichten; sie können sich auch externer Versorgungsträger bedienen und mit der Durchführung beauftragen. In diesem Fall müssen sie beispielsweise im Aufsichtsrat der durchführenden Versorgungseinrichtung vertreten sein oder durch eine Vertretung in spezifischen Gremien der Versorgungseinrichtung hinreichende Einflussmöglichkeiten auf das Betriebsrentensystem haben bzw. dieses mit steuern können.
Arbeitgeberzuschuss bei Entgeltumwandlung
Im Fall der Entgeltumwandlung für eine reine Beitragszusage muss der Tarifvertrag bestimmen, dass der ArbGeb mindestens 15 Prozent des wegen Entgeltumwandlung sozialversicherungsfreien Entgelts zusätzlich als Arbeitgeberzuschuss an die Versorgungseinrichtung weiterleitet, soweit er durch die Entgeltumwandlung Sozialversicherungsbeiträge einspart. - In allen übrigen Fällen der Entgeltumwandlung über sog. externe Durchführungswege (Direktversicherung, Pensionskasse, Pensionsfonds) wird der ArbGeb ab 2019 verpflichtet, den von ihm ersparten ArbGeb-Anteil zur Sozialversicherung in pauschalierter Form (15 Prozent) zugunsten seines Beschäftigten an die durchführende Versorgungseinrichtung weiterzuleiten. – Anders als der gesetzlich verpflichtende ArbGeb-Zuschuss bei reiner Beitragszusage ist dieser (»generelle«) Zuschuss allerdings tarifdispositiv. Bestehende, für die Beschäftigten ungünstigere tarifliche Regelungen, bleiben auch deshalb gültig. – Für individuelle wie kollektive Entgeltumwandlungsvereinbarungen, die vor 2019 abgeschlossen wurden, gilt die Regelung erst ab 2022.
Da die reine Beitragszusage keine Haftung des ArbGeb oder des Versorgungsträgers für Anwartschaften oder Leistungen der bAV kennt, soll im Tarifvertrag ein zusätzlicher Beitrag des ArbGeb festgelegt werden, der nicht unmittelbar den einzelnen ArbN direkt gutgeschrieben oder zugerechnet wird (»Sicherungsbeitrag«).
Tariflicher Entgeltumwandlungs-Automatismus mit opting-out
Den Tarifvertragsparteien wird die rechtssichere Einführung von betrieblichen Systemen automatischer Entgeltumwandlung (mit opting-out-Klausel für ArbN) ermöglicht. Sie können alle ArbGeb in ihrem Zuständigkeitsbereich verpflichten, solche Systeme einzuführen; sie können aber auch im Tarifvertrag den ArbGeb lediglich die Möglichkeit einräumen, solche Systeme unter Bedingungen einzuführen, die im Tarifvertrag festgelegt sind. Dazu können etwa konkrete Kostenvorgaben im Hinblick auf den durchführenden Versorgungsträger gehören oder die Vorgabe, dass eine Invaliditäts- und Hinterbliebenenabsicherung zum Leistungsspektrum gehören muss.
Nichttarifgebundene ArbGeb können ein einschlägiges tarifvertragliches Optionssystem anwenden oder auf Grund eines einschlägigen Tarifvertrages durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung die Einführung eines Optionssystems regeln. »Einschlägig« wäre auch ein Tarifvertrag über ein Optionssystem, der zwischen ArbGeb-Verbänden und Gewerkschaften oder zwischen Zusammenschlüssen von ArbGeb-Verbänden bzw. Gewerkschaften mit dem Ziel einer bundesweiten und branchenübergreifenden Inbezugnahmemöglichkeit abgeschlossen würde. Auf diesem Weg könnte sichergestellt werden, dass möglichst vielen nichttarifgebundenen ArbGeb die Möglichkeit eröffnet würde, für ihre Beschäftigten ein sachgerechtes, effizientes und kostengünstiges Optionssystem einzuführen.
Das Gesetz gibt lediglich grundlegende Vorgaben, wie solche Optionssysteme ausgestaltet sein müssen. Dazu gehören unter anderem die Festlegung von Mindestfristen, die den ArbN ausreichend Zeit belassen sollen, das Angebot auf Entgeltumwandlung zu prüfen, sowie Mindestanforderungen an Form und Inhalt des Angebots.
bAV-Förderbetrag für Geringverdiener
Ab 2018 wird ein bAV-Förderbetrag für ArbN mit unterdurchschnittlichem Entgelt eingeführt. Der bAV-Förderbetrag hat keine Auswirkungen auf die Riester-Förderung – insbesondere werden die Riester-Zulagen nicht gemindert oder auf den bAV-Förderbetrag angerechnet.
Zahlt der ArbGeb zusätzlich zum geschuldeten Lohn und zusätzlich zu evtl. bisherigen ArbGeb-Beiträgen im Kalenderjahr mindestens 240 Euro an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder für eine Direktversicherung, so kann er hiervon 30 Prozent (also mindestens 72 Euro bis höchstens 144 Euro) von der Lohnsteuer des ArbN einbehalten. Beiträge aus Entgeltumwandlung sind nicht begünstigt.
Der bAV-Förderbetrag kann für ArbN in Anspruch genommen werden, deren Entgelt in Abhängigkeit vom Lohnzahlungszeitraum folgende Beträge nicht übersteigt:
- pro Tag 73,34 Euro,
- pro Woche 513,34 Euro,
- pro Monat 2.200 Euro oder
- pro Jahr 26.400 Euro.
Maßgeblich sind die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Beitragsleistung.
Voraussetzung für die steuerliche Förderung ist, dass Vertriebskosten beim Abschluss des Vertrages über eine bAV nicht zulasten der ersten Beiträge einbehalten werden (»Zillmerung«). Vielmehr dürfen die Vertriebskosten nur als fester Anteil der laufenden Beiträge einbehalten werden.
Erhöhung des steuerfreien Dotierungsrahmens
Der steuerfreie Höchstbetrag in der kapitalgedeckten bAV (§ 3 Nr. 63 EStG) wird von vier Prozent auf acht Prozent der Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung (West) angehoben; der beitragsfreie Höchstbetrag bleibt unverändert bei vier Prozent. Im Gegenzug wird der zusätzliche Höchstbetrag von 1.800 Euro aufgehoben (Zusammenfassung des steuerfreien Höchstbetrags zu einem einheitlichen prozentualen Betrag).
Änderungen bei der (betrieblichen) Riester-Rente
Die Grundzulage der Riester-Förderung wird ab dem Beitragsjahr 2018 von 154 Euro auf 175 Euro jährlich angehoben. Auf Leistung aus Riester-Verträgen ist künftig die sog. Fünftel-Regelung (§ 34 Abs. 1 EStG) anwendbar. Beim »Wohnriestern« darf eine unschädliche Unterbrechung der Eigennutzung von fünf Jahren erfolgen.
Für betriebliche Riester-Renten entfällt in der Auszahlungsphase die Beitragspflicht zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung; sie werden damit künftig wie private Riester-Renten behandelt.
Freibetrag in der Sozialhilfe (SGB XII)
Bei der Hilfe zum Lebensunterhalt (Kapitel 3 SGB XII) sowie der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Kapitel 4 SGB XII) ist ab 2018 ein Betrag von 100 Euro monatlich aus einer zusätzlichen Altersvorsorge zuzüglich 30 vom Hundert des diesen Betrag übersteigenden Einkommens aus einer zusätzlichen Altersvorsorge abzusetzen, höchstens jedoch 50 Prozent der Regelbedarfsstufe 1 (2017: 204,50 Euro).
Zur zusätzlichen Altersvorsorge rechnen bis zum Lebensende und ohne Kapitalwahlrecht monatlich zu zahlende bAV-, private Riester- oder Rürup-Renten unabhängig von einer etwaigen staatlichen Förderung sowie Ansprüche, die auf freiwilliger Grundlage im Rahmen der GRV erworben wurden - also bspw. aus Zeiten der freiwilligen Versicherung, aus Beiträgen zum Ausgleich von Rentenabschlägen oder aus Höherversicherungsbeiträgen (bis Ende 1997). Auch Ansprüche, die auf freiwilliger Grundlage von einem verstorbenen Versicherten erworben worden sind und über eine Witwen-/Witwerrente dem Anspruchsberechtigten zu Gute kommen, sind von dem Freibetrag erfasst.
[Stand: Januar 2018]
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Jeder Beschäftigte mit aktiver Anwartschaft auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung (bAV) verfügte im Jahr 2021 über rd. 1,15 Anwartschaften. Damit hatten knapp 18,4 Mio. Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen aktive bAV-Anwartschaften. Das sind gut 4,7 Mio. Personen mehr als 2001.
Der Anteil der Beschäftigten mit bAV-Anwartschaften an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten stieg von 48,7% (2001) über 59,0% (2012) auf 53,5% (2021). Der jüngste Rückgang des Anteils ist hauptsächlich dem starken Beschäftigungszuwachs geschuldet.
Über
- Dauer und Höhe der Anwartschaften,
- Zusageformen (Leistungszusage, beitragsorientierte Leistungszusage, Beitragszusage mit Mindestleistung oder reine Beitragszusage),
- abgesicherte Risiken (neben Langlebigkeit auch Invalidität und Todesfall?) oder
- Konditionen in der Leistungsphase (regelhafte Dynamisierung?)
weiß man im Grunde nichts. - Der über die vergangenen zwei Dekaden gestiegene Verbreitungsgrad der bAV sagt deshalb für sich alleine nichts aus über das damit erzielbare Plus an sozialer Absicherung im Alter, bei Invalidität oder von Hinterbliebenen.
Reformbausteine
Vorschläge im Vorfeld des Betriebsrentenstärkungsgesetzes
Vorbemerkung
Trotz recht opulenter staatlicher Förderung stagniert der Verbreitungsgrad der betrieblichen Altersversorgung (bAV) seit geraumer Zeit. Nur etwa 60 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigen verfügt aktuell über Anwartschaften auf eine Betriebsrente – ohne die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes sind es sogar nur rund 50 Prozent. Seit 2001 ist die Anzahl der Beschäftigten mit aktiven bAV-Anwartschaften lediglich um gut vier Millionen gestiegen. Dabei sollten bAV und »Riester-Rente« eigentlich die Lücke schließen, die durch die politisch in Gang gesetzte drastische Senkung des Niveaus der gesetzlichen Rente aufgerissen wird. Immerhin sinkt das sogenannte Standardrentenniveau (Verhältnis von Standardrente zu Durchschnittsverdienst – jeweils vor Steuern) von knapp 53 Prozent (2000) in Richtung 43 Prozent in den 2030er Jahren.
Da die »Riester-Rente« vielen inzwischen als gescheitert gilt, setzte der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD seinen Schwerpunkt auf die Stärkung der bAV. Insbesondere sollen Voraussetzungen dafür geschaffen werden, Betriebsrenten auch in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) besser zu verankern – und auch Geringverdiener sollen stärker als bislang einbezogen werden.
Zwei im April 2016 vorgelegte Gutachten – eines im Auftrag des Bundesfinanzministeriums (BMF) , ein anderes im Auftrag des Bundesarbeitsministeriums (BMAS) – sollen Klarheit schaffen, wie diese Ziele erreichbar wären.
Bei allen Anstrengungen, den Verbreitungsgrad der bAV zu erhöhen, bleibt allerdings zu bedenken, dass alleine der Verbreitungsgrad noch keinerlei Anhaltspunkte über die Höhe der Anwartschaften liefert und somit auch keinerlei Rückschlüsse darauf zulässt, ob die (zusätzlich) generierten Anwartschaften überhaupt ausreichen werden, um das proklamierte Ziel (Kompensation der Rentenniveausenkung) tatsächlich zu erreichen.
Verpflichtender Arbeitgeberzuschuss bei Entgeltumwandlung
Bei der beitragsfreien Umwandlung von ansonsten versicherungspflichtigen Lohn- und Gehaltsteilen zugunsten einer Anwartschaft auf bAV zahlt auch der Arbeitgeber auf das umgewandelte Entgelt keine Sozialbeiträge; seine Ersparnis beträgt derzeit bis zu gut 19 Prozent des umgewandelten Bruttoentgelts.
Künftig könnten Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet werden, die eingesparten Sozialbeiträge (evtl. pauschaliert auf 18 Prozent) ihrerseits zugunsten der bAV des Arbeitnehmers zu verwenden. Eine Mehrbelastung entstünde dadurch – verglichen mit der Lohnzahlung ohne Entgeltumwandlung – nicht.
Durch den Zuschuss soll der Arbeitnehmer vorab für seine erhöhte Abgabenlast im Alter (alleinige Zahlung des vollen Beitrags zur Kranken- und Pflegeversicherung auf die Betriebsrente) entschädigt werden. Auch würden die durch die beitragsfreie Entgeltumwandlung reduzierten Ansprüche in der gesetzlichen Rentenversicherung in etwa kompensiert – so das vom BMF in Auftrag gegebene Gutachten.
Mit dem Vorschlag sollen gleichzeitig Forderungen nach Abschaffung des vollen Beitragssatzes auf Betriebsrenten »überflüssig« werden. Warum die gesetzliche Verpflichtung dann aber nur für Neuzusagen und nicht auch für bereits erfolgte Zusagen vorgeschlagen wird, bleibt unerfindlich. Und: Der Betriebsrenten-Bestand bliebe so oder so mit dem vollen Beitragssatz zur KV/PV belastet.
Verbesserte Riester-Förderung im Rahmen der bAV
Schon heute kann die Riester-Förderung auch im Rahmen der bAV genutzt werden. Der Nachteil: Beim bAV-Riestern erfolgt eine doppelte (vor- und nachgelagerte) Verbeitragung in der Kranken- und Pflegeversicherung – sowohl während der Anwartschafts- als auch während der Rentenphase. Die private Riester-Rente ist dagegen in der Leistungsphase beitragsfrei (ausschließlich vorgelagerte Verbeitragung).
Die doppelte Verbeitragung betrieblichen Riesterns soll daher zu Gunsten entweder einer vor- oder aber einer nachgelagerten Verbeitragung abgeschafft werden. Bei nachgelagerter Verbeitragung gingen allerdings vor allem der Rentenversicherung – wie schon bei der beitragsfreien Entgeltumwandlung – Einnahmen verloren und die Rentenanwartschaften der so Geförderten fielen geringer aus. Zudem würde der Sinkflug des Rentenniveaus für alle Renten – wie schon infolge der beitragsfreien Entgeltumwandlung – auch durch betriebliches Riestern noch zusätzlich befördert.
bAV-Förderbetrag
Alternativ zur verbesserten Riester-Förderung im Rahmen der bAV könnten Arbeitgeber, die für den Arbeitnehmer jährlich einen Mindestbetrag von 1/160stel der jährlichen Bezugsgröße (2016: 217,88 Euro) als Arbeitgeberbeitrag in eine beitragsorientierte bAV einbringen (sogenannter Mindest-bAV-Betrag), einen bAV-Förderbetrag in Höhe von 154 Euro pro Jahr erhalten. Vom Arbeitgeber wirtschaftlich zu tragen wäre damit nur die Differenz zwischen Mindest-bAV-Betrag und bAV-Förderbetrag (2016: 63,88 €).
Der Höhe nach entspricht der Förderbetrag der Grundzulage der Riester-Förderung; er könnte dem Arbeitgeber im Wege der Verrechnung mit der Lohnsteuer des Arbeitnehmers zufließen und würde beim Arbeitnehmer auf die Zulage nach Abschnitt XI EStG (Altersvorsorgezulage) angerechnet. Damit wären über den rechtlich ohnehin bereits bereitstehenden Förderrahmen hinaus keine zusätzlichen staatlichen Finanzmittel erforderlich. Im Übrigen besteht kein weiterer Zusammenhang mit der Riester-Förderung; insbesondere hätte der Arbeitnehmer selbst keinen Mindesteigenbeitrag aufzubringen. Damit soll erreicht werden, dass gezielt Geringverdiener in die bAV einbezogen werden und auf diese Weise die Zulagenförderung nach Abschnitt XI EStG in sehr einfacher Weise wahrnehmen können.
Erhöhung des Dotierungsrahmens der abgabenfreien Entgeltumwandlung
Derzeit haben Arbeitnehmer die rechtliche Möglichkeit, Bruttoentgelt in einem Umfang von bis zu vier Prozent der Beitragsbemessungsgrenze (BBG-West) der allgemeinen Rentenversicherung (2016: 2.976 Euro) beitragsfrei in eine Anwartschaft auf bAV umzuwandeln. Erfolgt die Entgeltumwandlung im Rahmen einer der beiden sog. internen Durchführungswege der bAV (Direktzusage, Unterstützungskasse) besteht wegen des nicht gegebenen steuerrechtlichen Zuflusses zudem unbegrenzt Steuerfreiheit in der Ansparphase – bei den externen Durchführungswegen (Direktversicherung, Pensionskasse oder Pensionsfonds) ist die Steuerbefreiung auf die vier Prozent begrenzt. Für nach 2004 erteilte Versorgungszusagen erhöht sich der steuer-, nicht aber beitragsfreie Dotierungsrahmen dabei noch einmal um einen Fixbetrag von 1.800 Euro.
Jene Arbeitnehmer, denen in der Praxis sowohl ein interner als auch ein externer Durchführungsweg offensteht (was in Großbetrieben nicht selten der Fall ist), können die Vier-Prozent-Grenze zweimal – sowohl über den internen wie auch über den externen Durchführungsweg – ausschöpfen und damit bis zu acht Prozent (2016: 5.952 Euro) der BBG-West per beitragsfreier Entgeltumwandlung in Anwartschaften auf bAV fließen lassen.
Das derzeitige »Privileg« der in Großbetrieben Beschäftigten könnte verallgemeinert werden, indem der Dotierungsrahmen der beitragsfreien Entgeltumwandlung für alle Arbeitnehmer sowie für Alt- und Neuzusagen auf zusammen acht Prozent festgesetzt wird. Der steuerfreie Fixbetrag wäre im Gegenzug abzuschaffen.
In diesem Zusammenhang wird auch die Festlegung des Dotierungsrahmens auf eine Lebenszeitbetrachtung anstelle einer Jahresbetrachtung ins Spiel gebracht. Der nicht genutzte Dotierungsrahmen eines Jahres könnte dann vom Arbeitnehmer vorgetragen und in Folgejahren genutzt werden. Über die Lebenszeit betrachtet zielt diese Option auf die Förderung von Personen, die aktuell noch zu den Geringverdienern zählen.
Bei all dem ist aber auch zu bedenken: Beitragsfreie Entgeltumwandlung mindert nicht nur die individuellen Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung. Jeder Zuwachs an beitragsfreier Entgeltumwandlung führt unter dem Regime der geltenden Anpassungsformel zu einer zusätzlichen Senkung des Rentenniveaus; die negativen Folgen müssen dann alle Rentenversicherten und Rentner in Gestalt eines schwächer steigenden aktuellen Rentenwerts tragen – auch diejenigen, die selbst keine Entgeltumwandlung praktiziert haben. Beitragsfreie Entgeltumwandlung macht die Rentenlücke, die sie schließen soll (Absenkung des Rentenniveaus), ihrerseits also noch größer.
Reine Beitragszusage
Das Recht der bAV kennt bisher drei unterschiedliche Arten von Zusagen:
- Leistungszusage. – Für den Versorgungsfall sagt der Arbeitgeber eine bestimmte Leistung zu; diese kann sich beispielsweise am letzten Bruttogehalt orientieren oder einen Anteil davon bzw. einen fixen Geldbetrag pro Beschäftigungsjahr umfassen. Das Risiko der Leistungserfüllung trägt alleine der Arbeitgeber, der somit für ausreichend Vorsorgekapital (bspw. Rückstellungen) sorgen muss.
- Beitragsorientierte Leistungszusage. – Vom Arbeitgeber zugesagte Beiträge werden in eine bAV-Anwartschaft umgewandelt. Der »Kurs« der Beiträge wird nach versicherungsmathematischen Grundsätzen festgelegt und ergibt sich (abhängig u.a. vom Lebensalter des Arbeitnehmers bei Entrichtung des Beitrags) in der Regel aus entsprechenden Leistungsplänen der Drittanbieter (Direktversicherung, Pensionskasse).
- Beitragszusage mit Mindestleistung. – Bei dieser seit 2002 zugelassenen Art der Zusage verpflichtet sich der Arbeitgeber zur Leistung von zuvor festgelegten Beiträgen an einen externen Versorgungsträger (Direktversicherung, Pensionskasse oder Pensionsfonds). Zum Zeitpunkt der Verrentung muss ein Versorgungskapital mindestens in Höhe der eingezahlten Beiträge zur Verfügung stehen; kann der Versorgungsträger dies am Ende nicht realisieren, so muss der Arbeitgeber den Fehlbetrag »nachschießen«.
Bei allen drei Zusagearten besteht arbeitsrechtlich eine subsidiäre Haftung des Arbeitgebers für die Erfüllung der zugesagten Leistung. Dies soll sich künftig ändern; im Betriebsrentengesetz soll auch die reine Beitragszusage als neue Zusageart eingeführt werden. Der Arbeitgeber hätte nur noch für die korrekte Ermittlung und Abführung der zugesagten Beiträge zu sorgen (»pay and forget«) – das Erfüllungs- und Haftungsrisiko ginge vollständig auf einen externen Versorgungsträger über. Dieser unterläge der Insolvenzsicherungspflicht und hätte Leistungen mindestens in Höhe der Mindestleistung (3.) zu garantieren.
Wie schon im Anfang 2015 vorgelegten Vorschlag des BMAS – »Neues Sozialpartnermodell Betriebsrente« – soll die Beitragszusage (nur) über gemeinsame Einrichtungen der Tarifparteien (Pensionskasse oder Pensionsfonds) abgewickelt werden können – diese allerdings sollen sich laut Arbeitsministerin Nahles auch bereits vorhandener Versorgungsträger bedienen und diese mit der Durchführung beauftragen können. – Auch soll die Möglichkeit geschaffen werden, bereits bestehende Zusagen auf reine Beitragszusagen im Rahmen des neuen Sozialpartnermodells »umzustellen«.
Das Modell erlaube schließlich auch den Einstieg in »Zielrentensysteme«, die den Verzicht auf eine Garantieleistung in der kapitalgedeckten Altersversorgung ermöglichen. Denn diese Garantie – so die Gutachter – beschädige unnötigerweise den Vermögensaufbau während der Anwartschaftsphase, also in der Zeit, in der die Garantie ohnehin nicht gebraucht werde.
Schließlich regt das BMAS-Gutachten an, die Regelungskompetenzen im Detail weitgehend den Tarifparteien zu übertragen. Zu solchen Regelungsdetails zählen könnten nach Ansicht des Gutachtens beispielsweise:
- Regelung des »Optionssystems« für die Entgeltumwandlung,
- Regelung der Einbeziehung nicht Tarifgebundener,
- partnerschaftliche Kontrolle des Versorgungsträgers,
- erweiterte Möglichkeiten in der Leistungsplangestaltung,
- Festlegung des Mindestleistungs- bzw. Garantieniveaus (auch unterhalb der gegenwärtig gesetzlich festgelegten Mindestleistung bzw. unter Verzicht auf Garantien),
- Umwandlungsmöglichkeit für bestehende Zusagen oder auch
- Optionen für eine Verbesserung der Portabilität von Anwartschaften.
Optionsmodell
Heute ist der Arbeitgeber einerseits frei in seiner Entscheidung, ob er eine bAV anbietet oder nicht und welchen Durchführungsweg er dabei wählt. Andererseits hat der Arbeitnehmer seit 2002 einen Rechtsanspruch gegenüber seinem Arbeitgeber auf Entgeltumwandlung in Anwartschaften auf eine bAV – im Zweifel im Wege einer Direktversicherungs-Zusage.
Um den Verbreitungsgrad der bAV zu erhöhen wird allenthalben für ein sog. Optionsmodell mit »sanftem Druck« plädiert: Arbeitnehmer würden hierbei obligatorisch (idealerweise per – allgemeinverbindlich erklärter – Tarifverträge) in eine auf Entgeltumwandlung basierende bAV einbezogen – es sei denn, sie widersprechen ausdrücklich innerhalb einer vorzugebenden Frist. Das BMAS-Gutachten beispielsweise empfiehlt ausdrücklich, das Optionssystem in die gesetzliche Regelung des Sozialpartnermodells einzubeziehen.
Freibetrag in der Grundsicherung
Bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung handelt es sich um ein subsidiäres Sicherungssystem (Fürsorge), das unabhängig von den Ursachen (Kausalität) einer Notsituation sowie ohne das Erfordernis irgendwelcher Vorleistungen (wie etwa Beitragszahlungen in der Sozialversicherung) Hilfebedürftigkeit im Einzelfall beseitigen will (Finalprinzip). Bevor die Grundsicherung (aufstockende) Leistungen erbringt, kann und muss sie daher im Gegenzug verlangen, dass Hilfesuchende zunächst ihre eigenen Kräfte und Mittel einsetzen, um Hilfebedürftigkeit zu vermeiden, zu vermindern oder zu beseitigen. Dies betrifft bei Älteren und voll Erwerbsgeminderten vor allem den Einsatz grundsätzlich sämtlicher Einkünfte und zumutbar verwertbarer Vermögensteile (Anrechnung). Der voraussetzungslosen Bedarfsdeckung auf der einen Seite entspricht also die Bedürftigkeitsprüfung auf der anderen Seite.
Vor allem die (volle) Anrechnung von Leistungen aus privaten bzw. betrieblichen Vorsorgesystemen gilt gemeinhin als Hemmnis für eine weitere Verbreitung freiwilliger Eigenvorsorge in der Zielgruppe der Geringverdiener. Wer ohnehin mit Grundsicherungsbedürftigkeit im Alter rechne oder rechnen müsse, so wird angeführt, der verhalte sich ökonomisch rational, keine private Vorsorge zu betreiben und damit in der Gegenwart auf Konsum zu verzichten. – Zur Stärkung der eigenverantwortlichen Altersvorsorge wird daher eine Begrenzung der Anrechnung von Leistungen der betrieblichen bzw. privaten Vorsorge oder aber eine nur quotale Anrechnung dieser Leistungen auf die Grundsicherung vorgeschlagen (Anrechnungsfreibeträge).
Einkommensfreibeträge in der Fürsorge führen allerdings c. p. zu einem (evtl. deutlichen) Anstieg des leistungsberechtigten Personenkreises, damit zu steigenden öffentlichen Ausgaben und statistisch schließlich auch noch zu einem höheren Ausweis der Grundsicherungsquote. Aus diesen Gründen dürften der Umsetzung des Vorschlags enge (fiskal-) politische Grenzen gesetzt sein – was wiederum die Intention des Vorschlags weitgehend ins Leere laufen ließe.
Davon abgesehen ginge mit einer Privilegierung von Alterseinkommen aus betrieblicher bzw. privater Vorsorge ein tragender Grundsatz der Fürsorge über Bord: Die ausnahmslos final orientierte und von Vorleistungen unabhängige Leistungsbemessung. Ergebnis wäre eine »vorleistungsabhängige Fürsorge«. Mit der Privilegierung ausgewählter, vorleistungsbasierter Einkommen (-steile) in der Grundsicherung käme es wieder – wie in den historischen Anfängen der (staatlichen) Fürsorge – zu einer (sozial- / gesellschaftspolitischen) Unterscheidung zwischen bzw. Separierung in »würdige« und »unwürdige« (Alters-) Arme.