Grundrente - Gesetzentwurf


 

Erläuterungen

Der Gesetzentwurf v. 21.02.2020 für eine »Grundrente« ab 2021 besteht aus drei Leistungs-Komponenten:

  • Zum einen erhalten langjährig versicherte Rentnerinnen und Rentner unter bestimmten Voraussetzungen einen Zuschlag an Entgelpunkten (»Grundrente«); geregelt wird dies im SGB VI.
  • Bei der Ermittlung des für das Wohngeld maßgebenden Gesamteinkommens wird es bei erfüllter Grundrentenzeit künftig einen zusätzlichen Freibetrag geben. Der Einkommensfreibetrag wird im WoGG geregelt.
  • Auch bei der Grundsicherung im Alter etc. wird es bei erfüllter Grundrentenzeit künftig einen zusätzlichen Freibetrag für Einkommen aus der gesetzlichen Rente geben; diese Neuregelung findet sich hauptsächlich im SGB XII.

Die Zahlung eines Zuschlags an Entgeltpunkten ist vor allem an die folgenden drei Voraussetzungen gebunden:

1. Die Wartezeit muss erfüllt sein. - Die Wartezeit beträgt mindestens 33 Jahre mit Grundrentenzeiten; hierzu zählen Pflichtbeitragszeiten für versicherte Beschäftigung und Tätigkeit, Beitragszeiten aufgrund von Kindererziehung, Pflege und aufgrund der Antragspflichtversicherung für Selbstständige, rentenrechtliche Zeiten wegen des Bezugs von Leistungen bei Krankheit und Rehabilitation, Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung und Pflege sowie Ersatzzeiten. - Zeiten des Bezugs von ALG, ALHI oder ALG II sind keine Grundrentenzeiten; auch Rentenbezugszeiten, denen eine Zurechnungszeit zugrunde lag (EM-Rente), werden nicht berücksichtigt.

2. Der Verdienst war gering. - Die durchschnittliche Entgeltposition während der so genannten Grundrentenbewertungszeiten lag zwischen mindestens 30 Prozent (mindestens 0,3 Entgeltpunkte (EP) pro Jahr) und unter 80 Prozent (0,8 Entgeltpunkte pro Jahr bzw. 0,0667 EP/Monat) des Durchschnittsentgelts nach Anlage 1 zum SGB VI mehr. Grundrentenbewertungszeiten sind hauptsächlich mit Beiträgen belegte Monate, deren Wert mindestens 0,025 Entgeltpunkte (= 0,3 EP/Jahr) beträgt. Damit zählen beispielsweise Monate, in denen ausschließlich ein versicherungspflichtiger Mini-Job ausgeübt wurde, nicht zu den Grundrentenbewertungszeiten. Gleiches gilt für Monate, in denen die Pflegeversicherung für Pflegepersonen Beiträge geleistet hat und

  • vor 2017: Pflegebedürftige der Pflegestufe 1 bzw.
  • seit 2017: Pflegebedürftige dem Pflegegrad 2

zugeordnet waren.

Über eine Gleitzone von 33 bis unter 35 Jahre an Grundrentenzeit liegt der Höchstwert an EP für die Grundrentenbewertungszeiten unterhalb von 0,0667/Monat. Bei genau 33 Jahren beträgt der Höchstwert 0,0334 EP/Monat; mit jedem zusätzlichen Monat an Grundrentenzeit steigt der Höchstwert linear auf 0,0667 EP/Monat bei 35 oder mehr Jahren an Grundrentenzeit.

Sind diese beiden Voraussetzungen für einen Zuschlag zur Rente erfüllt, so wird die Rente für höchstens 35 Jahre oder 420 Kalendermonate auf das Zweifache des EP-Durchschnitts, jedoch maximal auf 0,8 EP pro Jahr (bzw. den in der Gleitzone geltenden Höchstwert) hochgewertet. Anschließend wird der so ermittelte Zuschlag um 12,5 Prozent reduziert.

3. Das Gesamteinkommen ist gering. - Das gesamte Einkommen darf 1.250 Euro (Alleinstehende) bzw. 1.950 Euro (Ehepaare bzw. eingetragene Lebenspartner - in allen übrigen Partnerschaften wird das Partnereinkommen nicht berücksichtigt) nicht übersteigen (Einkommensfreibetrag). Hierbei wird das zu versteuernde Einkommen (zvE) unter Hinzurechnung des steuerfrei gestellten Anteils der Rente zugrunde gelegt. Der Einkommensabgleich erfolgt automatisiert durch einen Datenaustausch zwischen der Rentenversicherung und den Finanzbehörden. Nicht zum zvE zählen - und bei der Einkommensanrechnung nicht berücksichtigt werden v.a.

  • pauschalversteuerter Lohn aus einem Mini-Job,
  • der nicht auf den (zu versteuernden) Ertragsanteil entfallende Anteil einer Leibrente (z.B. einer Zusatzversorgung des öD),
  • Kapitalerträge, die den Sparerfreibetrag (801 EUR / 1.602 EUR) nicht übersteigen.

Das den Freibetrag übersteigende Einkommen mindert einen Anspruch auf »Grundrente« um 60 Prozent. Anrechenbares Einkommen, das den Betrag von 1.600 Euro (Paare: 2.300 Euro) übersteigt, wird in voller Höhe angerechnet.

Flankierend wird - sofern die 33 Jahre Wartezeit erfüllt sind - ein Freibetrag beim Wohngeld eingeführt; die Höhe des Einkommensfreibetrags entspricht der Systematik im Rahmen des SGB XII (s. u.). Damit kann der begünstigte Personenkreis einen höheren - oder gar erstmals überhaupt einen - Wohngeldanspruch erlangen.

Bei Bezug von Grundsicherung im Alter (bei Erwerbsminderung, Hilfe zum Lebensunterhalt sowie im SGB II) wird - sofern die 33 Jahre Wartezeit erfüllt sind - ein Freibetrag für das Einkommen aus der gesetzlichen (Brutto-) Rente in Höhe von 100 Euro zuzüglich 30 Prozent der darüber hinaus gehenden Ansprüche aus der gesetzlichen Rente bis maximal 50 Prozent der Regelbedarfsstufe 1 (analog und zusätzlich zur bestehenden Regelung für Einkommen aus betrieblicher und privater Vorsorge - aktuell: 216 Euro) eingeführt. - Ein Renten-Freibetrag in der Alters-Grundsicherung wirkt (bezogen auf das am Ende verfügbare Einkommen wie auch bezogen auf die Grundsicherungsberechtigung) wie eine entsprechende Erhöhung des sozialhilferechtlichen Bruttobedarfs.

Wirkungen - erläutert am Beispiel eines 50%-Verdienstes (ohne die Besonderheiten der Gleitzone):

Geltendes Recht. - Wer immer die Hälfte des Durchschnittsentgelts verdient hat und als kinderlose Einzelperson neben der Rente über kein weiteres Einkommen verfügt, ist bei einer Durchschnittsbetrachtung derzeit selbst nach 45 Beitragsjahren auf aufstockende Leistungen der Grundsicherung im Alter angewiesen. Auch der rechnerische Wohngeldanspruch reicht nicht aus, um zusammen mit der Rente die Grundsicherungsschwelle zu erreichen. Im Bundesdurchschnitt lag die Grundsicherungsschwelle im Alter außerhalb von Einrichtungen zuletzt (Juni 2019) bei 809 Euro monatlich (= durchschnittlicher Bruttobedarf).

1. Komponente. - Liegen 35 Jahre Grundrentenzeit vor, steigt die Rente um gut 9 Entgeltpunkte: (0,8 EP - 0,5 EP) * 0,875 * 35 = 9,1875 EP. Mit der höheren Rente besteht - auch ohne den neuen Einkommensfreibetrag - erstmals Anspruch auf einen Wohngeldbetrag, der höher ist als der Nettobedarf der Grundsicherung im Alter. Mit Rente und Wohngeld zusammen wird die Grundsicherungsschwelle überschritten.

2. Komponente. - Der neue Einkommensfreibetrag erhöht den Wohngeldanspruch zusätzlich und die Grundsicherungsschwelle wird deutlich überschritten.

3. Komponente. - Mit dem Einkommensfreibetrag für Einkommen aus der gesetzlichen Rente im SGB XII fallen 50%-Verdiener aber wieder zurück in die Grundsicherungsberechtigung. Erst mit gut 44 Beitragsjahren kann die neue Grundsicherungsschwelle mit dem Einkommen aus Rente und Wohngeld überwunden werden.