Beitragswert von Kindererziehung

Der Beitragswert von Kindererziehung

Kinderbezogene Leistungen der Rentenversicherung

Johannes Steffen | Oktober 2015

Am 30. September hat das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, »dass Eltern nicht beanspruchen können, wegen des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern weniger Beiträge zur gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung sowie zur sozialen Pflegeversicherung zahlen zu müssen. (...) Der Gesetzgeber hat bei der Ausgestaltung des Sozialversicherungsrechts einen weiten sozialpolitischen Spielraum. Er bewegt sich innerhalb der Grenzen dieses Gestaltungsspielraums, wenn er den Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern in verschiedenen Regelungen des Leistungsrechts berücksichtigt«. [1]

In der gesetzlichen Rentenversicherung erfolgt dies auf verschiedene Weise. Zwei dieser kinderbezogenen Leistungen sollen im Folgenden herausgegriffen und in ihren Wirkungen quantifiziert werden – Kindererziehungszeiten einerseits sowie Kinderberücksichtigungszeiten andererseits.

Für Geburten nach 1991 (vor 1992) werden in der Regel der Mutter pro Kind drei (zwei) Jahre Kindererziehungszeit bei der Rente gutgeschrieben. Jedes Jahr wird mit einem Entgeltpunkt bewertet – es zählt für die Rente genau so viel wie der Beitrag eines Durchschnittsverdieners. Die Gutschrift bei der Rente erfolgt additiv zu eventuell zeitgleich vorliegenden Pflichtbeiträgen aus einer Beschäftigung – in der Summe allerdings durch die Beitragsbemessungsgrenze gedeckelt. Bei einem Beitragssatz von 18,7 Prozent und einem vorläufigen Durchschnittsentgelt in Höhe von 34.999 Euro kostet ein Entgeltpunkt demnach zur Zeit 6.545 Euro. Das Beitrags-Äquivalent der Kindererziehungszeit für ein nach 1991 geborenes Kind beträgt 19.634 Euro. Ist die Mutter anschließend bis zum Rentenbeginn noch insgesamt 25 Jahre [2] versicherungspflichtig beschäftigt und erzielt dabei im Schnitt ein Bruttoentgelt in Höhe von zwei Dritteln des Durchschnitts (2015: 1.925 Euro monatlich), so entspricht das Beitrags-Äquivalent einem Beitragssatz-Äquivalent von 3,40 Prozentpunkten. Würde die Honorierung der Kindererziehung nicht auf der Leistungsseite, sondern statt dessen auf der Beitragsseite vorgenommen, so könnte der Beitragsanteil der Mutter zur Rentenversicherung (derzeit 9,35 Prozent) während der gesamten 25 Jahre um 3,40 Punkte niedriger ausfallen.

Neben den Kindererziehungszeiten kennt das Rentenrecht seit der Reform von 1992 Kinderberücksichtigungszeiten. Diese reichen bis zum vollendeten zehnten Lebensjahr des Kindes. Kinderberücksichtigungszeiten selbst generieren zwar keine bewerteten Anwartschaften – sie führen aber in aller Regel zu einer besseren Bewertung beitragsfreier Zeiten, wie etwa der Zurechnungszeit, und sie werden auf bestimmte Wartezeiten angerechnet, so beispielsweise auf die Wartezeit von 45 Jahren bei der Rente für besonders langjährig Versicherte oder auf die Wartezeit von 35 Jahren bei der Rente für langjährig Versicherte.

Zudem besteht die Möglichkeit der Ermittlung zusätzlicher Entgeltpunkte sowie der Gutschrift von Entgeltpunkten:

  • So werden für nach 1991 in einer Kinderberücksichtigungszeit liegende Pflichtbeiträge zusätzliche Entgeltpunkte ermittelt – und zwar in Höhe der hälftigen Pflichtbeiträge, maximal 0,0278 Entgeltpunkte pro Monat (0,3336 pro Jahr).
  • Eine Gutschrift in Höhe von 0,0278 Entgeltpunkten pro Monat (0,3336 pro Jahr) erfolgt in den Fällen, in denen sich nach 1991 liegende Berücksichtigungszeiten für mehrere Kinder überschneiden. [3] Für den selben Monat zusätzlich ermittelte Entgeltpunkte mindern die Gutschrift allerdings.

Voraussetzung ist in beiden Fällen das Vorliegen von insgesamt mindestens 25 Jahren an rentenrechtlichen Zeiten. Zudem ist die Summe der zusätzlich ermittelten und der gutgeschriebenen Entgeltpunkte zusammen mit den für Beitragszeiten und Kindererziehungszeiten ermittelten Entgeltpunkten auf 0,0833 Entgeltpunkte pro Monat oder einen Entgeltpunkt pro Jahr begrenzt. Das heißt: Während der Kindererziehungszeit sowie bei einem beitragspflichtigen Entgelt in Höhe des Durchschnitts oder darüber können die erwähnten Begünstigungen nicht wirken.

Kindererziehungszeit und Kinderberücksichtigungszeit

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Mütter, die nach der Kindererziehungszeit beitragspflichtig beschäftigt sind, können so neben ihren Pflichtbeiträgen im Maximum – bei einer Entgeltposition von 2/3 des Durchschnitts – einen Zuwachs von 2,3352 (= 7 x 0,3336) Entgeltpunkten erhalten. Dieser Betrag entspricht einem Beitrags-Äquivalent von 15.283 Euro – oder, anknüpfend an obiges Beispiel, einem Beitragssatz-Äquivalent von 2,65 Prozentpunkten.

Der maximale Zuwachs an Anwartschaften aus der Kindererziehungszeit für ein Kind sowie aus der Kinderberücksichtigungszeit kann sich so auf 5,3352 Entgeltpunkte summieren und entspricht dann einem Beitrags-Äquivalent von 34.918 Euro oder – im aufgeführten Beispiel – einem Beitragssatz-Äquivalent von 6,05 Prozentpunkten (vgl. Grafik, Punkt A). Bei einer höheren Entgeltposition und/oder mehr Pflichtbeitragsjahren nach Geburt des Kindes fallen die Äquivalenzwerte geringer aus – und umgekehrt.

Die beiden kinderbezogenen Leistungen der Rentenversicherung sind in ihren Wirkungen also durchaus beachtlich und begünstigen vorrangig Mütter. Eine an ihre Stelle tretende gleichwertige Beitragsentlastung dürfte demgegenüber zu einer Umverteilung zulasten von Frauen mit Kindern und zugunsten von Männern mit Kindern führen.

[1] BSG, Pressemitteilung 24/15 v. 30.09.2015.
[2] 2013 betrug das Durchschnittsalter der Mutter bei Geburt des ersten Kindes 29,3 Jahre. Bis zur Regelaltersgrenze (67 Jahre) verbleiben somit rechnerisch noch rund 38 Jahre.
[3] Gleiches gilt, wenn Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung oder Zeiten der Pflege eines pflegebedürftigen Kindes für ein Kind mit entsprechenden Zeiten für ein anderes Kind zusammentreffen.

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