ver.di-Projektgruppe »Hartz-Kommission«

Arbeitspapier zur Bewertung des Abschlußberichts der Kommission "Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" (Hartz-Kommission)

ver.di - Bundesverwaltung
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Projektgruppe »Hartz-Kommission«

Unsere Botschaft an die Öffentlichkeit und die gesellschaftlichen Gruppen

ver.di hat sich vor einigen Monaten zur aktiven und konstruktiven Mitarbeit in der Hartz-Kommission entschlossen. Wir haben diesen schwierigen Weg gewählt, um mit den verantwortlichen Gruppen, Personen und Institutionen Lösungen zur Verhinderung und Beseitigung von Arbeitslosigkeit zu entwickeln und neue Perspektiven für die Arbeitslosen zu eröffnen.

Es hat uns ermutigt, dass auch andere Gruppen und Persönlichkeiten quer durch die Gesellschaft und trotz vielfältiger Interessensgegensätze diese Verantwortung angenommen haben.

Unsere Gesamtbewertung des Kommissionsberichtes zeigt: Der Einsatz hat sich gelohnt!

Statt endlose Grundsatzdebatten anzuzetteln und die Arbeitslosen weiterhin im Regen stehen zu lassen, hat die Kommission über innovative und ungewöhnliche Vorschläge zum Abbau der Arbeitslosigkeit beraten und gestritten.

Die Hartz-Kommission hat ein Zukunftspaket geschnürt, das in entscheidenden Punkten unsere Handschrift trägt. Soziale Sicherung und zusätzliche Angebote zur Arbeitsmarktintegration sind in ein neues, besseres Verhältnis gebracht worden.

Die Vorschläge der Kommission sind darauf gerichtet, Arbeitslose schneller in Arbeit zu bringen, die Aufnahme von Arbeit zu erleichtern und zusätzliche Arbeitsplätze zu erschließen.

Die Kommission hat dabei vielfältige Anregungen aus unseren europäischen Nachbarländern aufgenommen. Ihre vorliegenden Vorschläge können ihrerseits zu einem innovativen Beitrag für die gemeinsame europäische Beschäftigungsstrategie werden.

Die Kommissionsmitglieder haben das Paket geschnürt, obwohl von außen, insbesondere von den Arbeitgeberverbänden und den Oppositionsparteien versucht worden ist, die Arbeit zu behindern, zurückzuzerren, das Paket aufzuschnüren und sich die Rosinen herauszusuchen.

Das zeigt, wie ernst es manchen mit dem Abbau der Arbeitslosigkeit ist und welches zynische Verhältnis sie zu den Arbeitslosen bereits entwickelt haben. Es zeigt auch, mit welcher Fahrlässigkeit und Verantwortungslosigkeit hier gesellschaftliche Chancen eigennützigen Interessen geopfert werden sollen.

Dieselben, die ständig von den Kosten der Arbeitslosigkeit reden und den Arbeitslosen die Schuld dafür zuweisen wollen, sind ohne Zögern bereit, erfolgversprechende Initiativen gegen Arbeitslosigkeit zu behindern und den sozialen Zusammenhalt zu riskieren.

Die Vorschläge der Hartz-Kommission sind ein Zukunftssignal, aber sie sind auch nur ein Vorschlag. Jetzt geht es um die Umsetzung. Daran wird sich messen lassen, wer dieses Signal ernst nimmt.

Die Vorschläge der Hartz-Kommission sind keine Wundertüte. Nur wenn alle Verantwortlichen das gesamte Paket aufgreifen und tatkräftig an die Arbeit gehen, wird die Initiative der Kommission Erfolg haben. So begreift ver.di die Aufgabe, die an die "Profis der Nation" gerichtet ist.

Ver.di bietet auch weiterhin seine Mitwirkung an zielgerichteten und erfolgversprechenden Schritten zum Abbau der Arbeitslosigkeit an. Wir stellen uns eigene Aufgaben und nehmen den Masterplan ernst. Aber diese Bereitschaft darf keine Einbahnstrasse sein.

Wir erwarten insbesondere von den Arbeitgebern, dass sie die neuen Spielräume wahrnehmen. Niemand kann den Arbeitgebern die Hauptverantwortung für die Sicherung und Entwicklung von Beschäftigung abnehmen. Diese unternehmerische Verantwortung ist jetzt in besonderer Weise gefordert. Der bloße Hinweis auf 1,5 Mio offene Stellen reicht nicht aus - sie müssen benannt und in den neuen Vermittlungsprozess eingebracht werden. Die Unternehmen müssen die Angebote der Job-Center wahrnehmen und gemeinsam mit den Vermittlern und den Arbeitslosen den Weg in die Arbeit bauen.

Wir erwarten von der Wirtschaft insgesamt zusätzliche Initiativen und Investitionen in die Zukunft. Der Lehrstellenmangel muss vor allem in und von den Unternehmen beseitigt werden, die zusätzlichen Vorschläge der Hartz-Kommission erweitern die Möglichkeiten, sie können und sollen diese unternehmerische Kernaufgabe aber nicht ablösen oder übernehmen.

Wir erwarten jetzt auch ein klares Signal für die älteren Arbeitnehmer. Wenn die Erfahrung und das Arbeitsvermögen Älterer erschlossen werden soll, dann müssen vor allem die Unternehmen die Voraussetzungen dafür schaffen. Der Engpass besteht nicht in einem fehlenden Angebot an billigen und flexiblen älteren Arbeitnehmern, sondern in mangelhaften Angeboten für attraktives, altersgerechtes Arbeiten.

Wir erwarten von allen Beteiligten geschlechtsspezifische Benachteiligungen in allen Maßnahmebereichen zu beseitigen und gezielt Beschäftigungschancen für Frauen zu eröffnen.

Wir erwarten von der Politik die notwendigen Schritte zur gesetzlichen Umsetzung der Kommissionsvorschläge und zu ihrer Absicherung im Rahmen der europäischen Gesetzgebung.

Wir erwarten von der Politik zusätzliche Anstrengungen für eine beschäftigungsorientierte Wirtschafts-, Haushalts- und Finanzpolitik. Sie könnte die Wirksamkeit der Kommissionsvorschläge deutlich erhöhen. Die Umsetzung der strukturpolitischen Vorschläge der Hartzkommission und die von ihr geforderte Verstärkung der öffentlichen Investitionen insbesondere im kommunalen Bereich sind hierfür eine wesentliche Anregung. Sie wären auch ein wichtiges Signal für die strukturschwachen Regionen und den wirtschaftlichen Aufbau in den neuen Bundesländern.

Wir haben eine weitere Botschaft an die Öffentlichkeit. Die Reform der Arbeitsmarktpolitik und der Dienstleistungen am Arbeitsmarkt wird nur mit den Beschäftigten der BA gelingen. Dies ist ein deutliches, gemeinsames Ergebnis der Hartz-Kommission: keiner will und kann auf die ExpertInnen der BA verzichten.

Den Beschäftigten bietet sich mit den Vorschlägen der Hartz-Kommission einerseits die lohnende Aussicht auf moderne Arbeitsämter, auf mehr Kompetenz für den Einzelnen auf mehr Offenheit, auf Fortführung der zukunftsträchtigen Ansätze des Arbeitsamtes 2000. Sie stehen aber auch vor Verunsicherungen über die Zukunft und vor großen Veränderungen. Die Initiative in der BA wird nur dann gelingen, wenn die Beschäftigten auch in der Öffentlichkeit in ihrer Aufgabe unterstützt werden, wenn ihnen der Rücken gestärkt wird. Sie sind nicht die Sündenböcke für gesellschaftliche Versäumnisse, sondern ihre Kreativität und Initiative ist die Voraussetzung dafür, dass die neuen Reformen gelingen.

Unsere Botschaft als ihre Gewerkschaft lautet: ver.di wird die Beschäftigten der BA auf diesem Zukunftsweg begleiten, so wie wir das bereits schon in der Hartzkommission getan haben. Wir werden uns dafür einsetzen, dass die Beschäftigten die nötige Qualifizierung erhalten und an dem Umgestaltungsprozess aktiv und verbindlich beteiligt sind. Wir werden die Personalräte in ihrer Verantwortung praktisch und wirksam unterstützen.

Was wir wollten - was wir erreicht haben
Bilanzierung unserer 12 Kernforderungen für die Arbeit in der Kommission

1. Unsere Grundforderung nach Erarbeitung einer Reform- und Entwicklungsperspektive der BA zu einem leistungsfähigen arbeitsmarktpolitischen Dienstleister mit sozialstaatlichem Auftrag wurde erfüllt.

2. Wir haben uns konstruktiv, kritisch und erfolgreich an der Hartz-Kommission beteiligt. Die Empfehlungen der Kommission haben den Reformprozesses "Arbeitsamt 2000" aufgenommen und weiterentwickelt.

3. Die Kernaufgaben der BA stehen im Zentrum der Reformvorschläge, die Familienkasse und die Bekämpfung der illegalen Beschäftigung sollen der BA zugeordnet sein.

4. Die bisherige Selbstverwaltung soll im Rahmen der Neugestaltung um Mitbestimmungselemente erweitert werden, welche die Interessen der Beschäftigten in Zukunft stärker zur Geltung bringen.

5. Ablauforganisation und Steuerung der BA sollen in unserem Sinne weiterentwickelt werden. Für die Personalentwicklung sind sinnvolle Perspektiven ohne Personalabbau abgesteckt worden.

6. Die Reformen versprechen eine Verbesserung der Vermittlung. Für Entbürokratisierung sind gute Voraussetzungen gegeben.

7. Für eine Verbesserung der Vermittlungsstatistik und die Erhöhung ihrer Transparenz sind die erforderlichen Bedingungen benannt worden. Eine Schönfärberei der Statistik soll durch eine differenzierte Erfassung, beispielsweise der PSA-Beschäftigten oder auch derjenigen, die durch das Bridge-System ausscheiden, ausdrücklich ausgeschlossen werden.

8. Chancengleichheit mit privaten Vermittlern ist gegeben.

9. Die Landesarbeitsämter sollen ein neues, zukunftsorientiertes Profil als beschäftigungspolitisches Kompetenzzentrum bekommen.

10. Statt der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe auf Sozialhilfeniveau wurde die Überführung aller erwerbsfähigen Sozialhilfeempfänger in das neue Arbeitslosengeld erreicht.

11. Qualifizierung wird weiterhin als Kernaufgabe in den Job-Centern und der PSA organisiert und als arbeitsmarktpolitisches Instrument angeboten.

12. Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe konnten im Rahmen des neuen, zweistufigen Arbeitslosengeldes, das alle arbeitslosen Erwerbsfähigen absichert, in Höhe und Laufzeit gesichert werden.

Wir haben viel erreicht - eine Zwischenbilanz

Kollektive Leistungskürzungen sind vom Tisch - Eingangsstufe des neuen Arbeitslosengeldes bis 32 Monate wie beim alten Arbeitslosengeld - Weiterführung der ehemaligen Arbeitslosenhilfe im unbefristeten neuen Arbeitslosengeld (Alg II)

Wer sich an die Regeln hält, braucht auch keine individuellen Kürzungen befürchten!

Keine Arbeitslosen zweiter Klasse! Alle bisherigen erwerbsfähigen Sozialhilfeempfänger kommen aus der Sozialhilfe und beziehen das neue Arbeitslosengeld (AlgII)! Das neue Arbeitslosengeld ("Alg II") eröffnet erwerbsfähigen Menschen, die bisher an den Rand der Gesellschaft gedrängt waren, sowohl eine bessere soziale Absicherung als auch den unbeschränkten Zugang zu den Dienstleistungsangeboten der Arbeitsmarktpolitik. Wir haben damit einen großen Fortschritt bei der sozialen Integration erreicht, der die Betroffenen ermutigen wird, Initiativen und Angebote der Arbeitsmarktpolitik aufzunehmen. Das ist nicht nur ein arbeitsmarkt- und sozialpolitischer, sondern ein gesellschaftspolitischer Erfolg ersten Ranges, an dem ver.di maßgeblich beteiligt war!

Umbau der BA - Verbesserung und Beschleunigung des Vermittlungsprozesses - Stärkung der präventiven Arbeitsmarktpolitik - Entbürokratisierung und Integration der Arbeitsabläufe in der BA

  • Kundenspezifischer und kundenorientierter bei Arbeitslosen und Arbeitgebern
  • Schnellere Vermittlung schon ab der Kündigung
  • Individuelle Eingliederungsplanung
  • Betriebsnahere Vermittlungsprozesse durch bessere Betriebskenntnis der Vermittler und die Einrichtung der Personalserviceagentur (PSA)
  • Job- und Beschäftigungsberatung für Betriebe
  • Job-Center mit integriertem und differenziertem Dienstleistungsangebot, Häuser der Arbeit etc., kundenspezifischer und -naher bei Arbeitgebern wie Arbeitslosen, Bündelung von Dienstleistungsangeboten der BA
  • Verwaltungsvereinfachungen, Entbürokratisierung

Verpflichtung der BA zu Arbeits-, Qualifizierungs- und Beratungsangeboten an die Arbeitslosen

Das Bündel an unverzüglich bereitzustellenden arbeitsmarktpolitischen Angeboten erlaubt individuell differenzierbare Kriterien der Zumutbarkeit, die dem Vermittlungsprozess eine deutlichere - und anspruchsvollere Orientierung geben. Insbesondere soziale Verpflichtungen gegenüber Kindern werden stärker berücksichtigt.

Bessere struktur- und beschäftigungspolitische Einbindung und Vernetzung der arbeitsmarktpolitischen Dienstleistungen durch Kompetenzzentren

Wichtige Anstöße für eine kommunale Investitionsoffensive, insbesondere in den neuen Ländern

Die Mini-Jobs bis 500 Euro mit 10% Sozialversicherungspauschale nur für Haushaltsdienstleistungen und vornehmlich für Arbeitslose sind eine Voraussetzung zum Abbau der in diesem Bereich vorherrschenden Schwarzarbeit . Die Gefährdung regulärer Arbeitsplätze und die Ausweitung des Niedriglohnbereichs durch die allgemeine Ausdehnung der geringfügigen Beschäftigung konnte verhindert werden.

Wirksame Schritte gegen die Schwarzarbeit im Haushaltsbereich durch die Kombination von Mini-Jobs und Ich-AG mit steuerlicher Absetzbarkeit

Bessere soziale Sicherung und Startchancen für kleine Existenzgründungen - "Ich-AG" mit vollem Sozialversicherungsschutz

Verstärkung der Genderprüfung

Tarifliche Gestaltung der PSA

Die BA als öffentlich-rechtliche Einrichtung mit sozialstaatlichem Auftrag bleibt das Zentrum der neuen Dienstleistungen und Dienstleister am Arbeitsmarkt.

Kein Personalabbau

Weiterentwicklung der Arbeitsamtsstrukturen zum JobCenter auf der Grundlage von Arbeitsamt 2000

Mehr Gestaltungsspielraum für die regionalen Job-Center durch ein Globalbudget

Verstärkung der Mitbestimmungsrechte der Beschäftigten im Aufsichtsrat der BA

Was wir weiterhin schützen müssen

  • existenzsichernd bezahlte Arbeit vor der Ausweitung des Niedriglohnsektors
  • das materielle Leistungsniveau im Bereich des neuen Arbeitslosengeldes
  • bestehende Arbeitsplätze vor der Verdrängung durch Leiharbeit, Ich-AGs oder Mini-Jobs
  • Leiharbeit vor dem Abbau von Arbeitnehmerrechten
  • weitere Prüfung und kritische Begleitung: Die Arbeitslosenversicherung vor negativen Auswirkungen des Bonussystems für Beschäftigungsbilanzen der Unternehmen.